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KOMMENTAR ZU DEN GEGENWAERTIGEN “MISSBRAUCHSFAELLEN” IN DEUTSCHLAND

WEITERFUEHRENDER KOMMENTAR ZU DEM PROBLEM ANGESICHTS DER NEUEREN ENTWICKLUNG

STELLUNGNAHME EINES KONVERTITEN (EHEMALS REFORMIERTER THEOLOGE) ZU DEN MISSBRAUCHSFÄLLEN

DER PRIESTERLICHE ZÖLIBAT IN NEUEREN ÄUSSERUNGEN DES KIRCHLICHEN LEHRAMTES. VON THOMAS HUBER, FREIBURG, PRIESTERSEMINAR

Gilbert Keith Chesterton, Die Father - Brown - Detekiv - Romane. Von Benjamin Grätsch

Neu:

Auszug aus der Korrespondenz des Trägers der Homepage mit dem Theologen (Konvertit, ehemals protestantischer Theologe) Uwe Lay:

… der postlapsarische Mensch liebt das Destruieren ... Hinter der Leugnung grundlegender Glaubenswahrheiten steckt auch ein Geist der Rebellion, der in der Heiligen Schrift als der Geist der Rotte Korachs Numeri 16 berühmt-bekannt geworden ist und der im 16. Jahr-hun- dert das Argument wider den linken schwärmerischen Flügel der Reformation bildete: daß, weil Gott unmittelbar zu allen Menschen sei, es keine menschliche Vermittlung geben dürfe und so jede Hierarchie illegitim sei, denn die kirchliche Hierarchie ist der manifeste Aus- druck des Vertrauensglaubens, daß Gott durch Menschen zu Menschen spricht und daß dieses „durch“ institutionalisiert ist in der hierarchischen Struktur der Kirche, in der sich das Gegenüber von Jesus und Jüngern, besser: von Jesus und seinen Schülern, prolongiert. Aber der Wille zur Gleichmacherei nivelliert alle Differenz, wie wohl schon in den Utopis- men einen Joachim von Fiore in seiner Proklamation des Zeitalters des Geistes, der alle Hierarchie vernichten würde.

An den intellektuellen Fähigkeiten dieser Liberalkatholiken muß aber ernsthaft gezweifelt werden: Wenn Jesus zölibatär gelebt hat, wie kann dann pauschal geurteilt werden, daß seine Nachfolger im Priesteramt in Widerspruch zu ihm leben, wenn sie zölibatär leben. Daß Jesus nicht alle in seine priesterliche Nachfolge beruft, verifiziert er selbst, indem er nur die 12 Jünger zur Konstitution der Eucharitiefeier einlädt und nicht alle Jünger. Zur Fra- ge der Frauenordination empfehle ich das wunderbare Buch vom Manfred Hauke … In Hin- sicht auf die Demokratie müßte Donoso Cortes nachgelesen werden, der in seinem Essay über den Liberalismus und den Katholizismus andemonstriert, daß die inklusive Präsump- tion der Demokratie ein pantheistischer Gottesbegriff sei, ein Gott, der so eins sei mit dem Denken von Jedermann, daß aus dem Volke die Stimme Gottes spräche. Zudem muß man schon ein eifriger Marcion-Anhänger sein, will man die Neue Ordnung des Bundes Jesu in ausschließlicher Antithese zur Struktur des Alten Bundes deuten. Einfach gesagt: Das Priestertum des Alten Bundes prolongiert sich im Priestertum des Neuen, wie das Meßopfer die Perpetuierung des Kultopfers des Alten Bundes ist.

Geradezu grotesk sind … die Leistungen der protestantisch infizierten Exegetenzunft (bei den Katholiken), über die man eigentlich täglich nur lachen kann, müßte man sie nicht ernst nehmen ob ihrer katastrophalen Folgen. Erst präsumieren sie, daß Jesus keine Kirche gegründet haben können wollte, weil er noch zu seinen Lebzeiten das Reich Gottes er- wartet hatte, und deshalb seien alle Texte über Gemeindeleitungen, Hierarchie und Ämter unechte Jesus-Worte, um dann aus den Rest-Worten den echten Jesus zu ergründen, daß er da nie von Ämtern und Leitung gesprochen hätte, so daß um dieses daherkonstruierten Ur- anfanges des Urchristentums willen das Amt und alle Leitung zu liquidieren seien. Die Exe- gese verifiziert (hier) mit einem gigantischen Aufwand an fleißigster Detailarbeit nur das, was sie als Prämisse voraussetzt. Prämisse und Resultat sind eins, und sie verifizieren sich zirkulär.

Die implizite und meist nichts eigens reflektierte Präsumption ist dabei die, daß Jesus nur ein Mensch gewesen ist und daß alle NT-Aussagen, die diesem Jesus einen übermensch- lich-göttlichen Schein umlegen, nachträgliche inadäquate Zusätze sind, die nur die Wert- schätzung Jesu durch seine Jünger zum Ausdruck bringen, ohne daß sie von realer Bedeu- tung wären. So hätte Jesus sich in seiner Reich-Gottes-Verkündigung einfach vertan, und als nach seinem Tode das Reich Gottes immer noch nicht da war, hätten dann Kirchendog- matiker die Kirche und das Amt erfunden. Auf solchen plumpen Betrugsphantasien beru- hen die meisten „wissenschaftlichen“ Erkenntnisse (besser: viele) der zeitgenössischen Exe- gese. Würde die Exegese Jesus auch nur ein prophetisches Vorauswissen über die Zu- künftigkeit des Reiches Gottes zubilligen, müßte sie schon konstatieren, daß er im Wissen um die zeitliche Begrenztheit seines Erdendaseins für seine Nachfolge Sorge getragen hät- te, so daß er sein Haus bestellt hätte, bevor er den vorausgewußten Tod gestorben sei. Aber nicht mal das traut man dem Gründer des Christentums zu, so daß sich wirklich die Frage aufdrängt, warum man als Christ einem so Unwissenden als Herrn sein Vertrauen schenken sollte.

Die Exegese war lange mein Lieblingsfach, aber die unreflektierte Hinnahme ihrer Prämi- ssen irritierte mich immer mehr und insbesondere das Unvermögen dieser Zunft, ihre Prä- missen theologisch zu begrüßen.

… die Geschlechterdifferenz ist kein Specificum der Gattung Mensch. Das, was das Weib- liche, Frauliche konstituiert, ist nicht hinreichend bestimmbar ohne eine Kenntnisnahme von Ergebnissen der Verhaltensforschung, basierend auf der Einsicht der Gemeinsamkeiten innerhalb der Gattung der Säugetiere. Ein religiöses Frauenbild, das nicht in Einklang zu bringen wäre mit den Ergebnissen der Verhaltensforschung, widerspräche dem Grund- axiom katholischen Denkens, daß die Gnadenordnung nicht die Natur zerstört … das ka- tholische Frauenbild (müßte sich zudem) sich aus der Mariologie generieren, denn Maria ist eins mit dem Begriff der Frau, sie ist der Archetypus der Frau oder wenn Sie es platonischer mögen: das Urbild der Frau.

… Es ist eine unbestreitbare Banalität, daß nur, wenn Frauen Kinder bekommen, ein Über- leben der Gattung Mensch möglich ist und daß es keine instinktgesteuerte Notwendigkeit ist, daß Frauen Nachwuchs hervorbringen. Ob ihrer Freiheit, das ist erstmal … eine defizitä- re Bestimmung des Menschen durch Instinkte, muß er (der Mensch) dieses Defizit durch eine Kulturmotivation supplementieren: der Mensch ist von Natur aus zum Kulturleben be- stimmt, ob seiner  im biologischen Sinne defizitären Natur. Nachwuchs ist beim Menschen kein reines Naturereignis, sondern immer ein kulturelles, wobei Kultur als vergeistigte Natur zu verstehen ist im Kontrast zur Technik als Materia-lisation des Willens zur Beherrschung der Natur.

Was noch nicht genügend durchdacht ist, ist: Welche Folgen ergeben sich für das Ver- ständnis der Frau, wenn ob der technischen Möglichkeiten eine rein künstliche Fortpflan- zung des Menschen möglich wird, die nur noch die weibliche Eizelle und das männliche Sperma gebraucht. Dann wird das Natürliche fast vollständig surrogiert durch die Technik. Spaßvögel oder Pessimisten erzählen sich heuer schon: Einst war der Mensch befellt, dann erfand er die Kleidung und das wärmende Haus, und er wurde nackt, weil er des natürli- chen Wärmeschutzes nicht mehr bedurfte ob der optimaleren künstlichen Warmhaltung durch Kleider und beheizte Innenräume. So könnte es auch mit der natürlichen Fortpflan- zung ausgehen, wenn die künstliche Fortpflanzung sich als effektivere der natürlichen ge- genüber erweisen sollte. Dem entspräche es, daß die praktizierte Sexualität sich von ihrem eigentlichen natürlichen Ziel emanzipiert, dem der Erzeugung von Nachwuchs, und nur noch selbstzwecklich um der reinen Lustgewinnung willen geschieht. Das zeigt sich … an der Wahl der Sexualpartner, die noch nicht oder nicht mehr zeugungsfähig/gebärfähig sind oder es prinzipiell nicht sind, und an … der Anwendung von empfängnisverhütenden Mit- teln. Die Entsexualisierung der Fortplanzung durch die Möglichkeit der künstlichen Be- fruchtung und die Möglichkeit der Abtrennung der gelebten Sexualität von ihrer Finalur- sache der Fortpflanzung wird … das Geschlechtsverhältnis von Frau und Mann revolutio- nierend. Dazu gehört dann die politisch gewollte Verstaatlichung der Aufzucht und Erzie- hung der Kinder, die die klassische Mutterrolle zu einem Auslaufmodell werden lässt. Wenn Naturliebhaber urteilen, dass etwas Künstliches nie so gut sein könnte wie die Natur, so dass die natürliche Geburt immer besser sei als eine künstliche, muß gefragt werden, ab sie natürlichen Haarwuchs (sprich: Fell) als Kälteschutz der künstlichen Heizung gegenüber den Vorzug geben möchten! Es gibt keine hundertprozentige Garantie dafür, daß in ferner Zukunft die künstliche Erzeugung und Geburt das Naturgemäße so ersetzen wird, wie die künstliche Heizung die Wärmekraft des Naturfells! Als Liebhaber von Zukunftsromanen sind mir solche Horrorbilder sehr vertraut! Und es gilt: Was heute Science Fiction ist, ist über- morgen Schnee von vorgestern, so schnell ist der technische Progreß!

Zu ergänzen ist hier: Soweit kann und wird es kommen, wenn der Mensch sich über die natürlichen moralischen Imperative hinwegsetzt. Zu erinnern ist hier an die providentielle Bedeutung der Enzyklika “Humanae vitae” von 1967, die den inneren Zusammenhang von Sexualität und Prokreation als “conditio sine qua non” qualifiziert.

Emanzipation ist so gesehen die Rebellion der Frau gegen ihre biologische Natur, die durch den kulturell-technischen Progreß ermöglicht worden ist und die noch nicht ihr Ende ge- funden hat ob der Möglichkeit der rein künstlichen Fortpflanzung. Es ist die Reduktion des Menschen auf seine Funktion als Element der Ökonomie, in der der Mensch prinzipiell nur noch Warenproduzent und Warenkonsument ist, so daß die Vater- wie auch die Mutterrolle als dysfunktional für die reine Ökonomie angesehen werden und so gesellschaftspolitisch ausgelagert werden in ein künstliches Subsystem von Erziehung, Aufzucht und letztlich auch der Erzeugung des Nachwuchses.

Wenn man unter dem Begriff der Modernisierung versteht, dass in Hinsicht auf die Institu- tion der Ehe und der Familie  … immer mehr die Aufgaben, die vormodern in  der Familie beheimatet waren, ausgelagert werden in familienexterne Subsysteme, dann verliert die Familie mit ihrer Zuordnung von Mann und Frau an Bedeutung. Die Mutter wird zur Sekun- därerzieherin ob des Primates der öffentlichen Kindererziehung, die Gesundheitspflege tritt sie dem System der Medizin ab, die Vorsorge für das Alter übernimmt der Staat, über- nehmen nicht mehr die Kinder, den Schutz vor Gewalt übernimmt die Polizei und nicht mehr der Mann, das Kochen übernimmt das Restaurant oder das Schnellgericht, die Un- terhaltung übernehmen die technischen Medien und nicht mehr die Familienangehörigen, und die Sexualität wird dann gänzlich außerhalb der Institution der Ehe gelebt. Eine Weile wird dann nur noch die natürliche Erzeugung den Eltern reserviert, bis auch dieses Refu- gium verschwindet. Denken Sie (in diesem Zusammenhang) nur an lesbische Paare, die sich künstlich befruchten lassen, um  Nachwuchs zu bekommen. Erst angesichts dieses Wandels wird es verständlich, das die traditionelle Frauenrolle sich auflöst und die Frau mutiert zum geschlechtslosen Arbeits- und Konsummenschen und darin dem Manne voll- kommen gleichberechtigt ist. Ich mutmaße, daß das religiöse Frauenbild in allen Reli- gionen diesem Modernismus gegenüber darauf insistiert, daß der wahre Beruf der Frau der der Mutter ist …

 

Auszug aus der Korrespondenz des Trägers der Homepage mit einem Dok toranden (Mathematiker), der sehr treffend die Situation der Liturgie der Kir- che artikuliert:

 

... ist es doch durchweg anthropozentrisch und leider im Großteil sakrilegisch,
wenn ich an die vielen Gottesdienste denke, die ich auf meinen Dienstreisen
besuchte. Welche Frucht kann es bringen, das Confiteor kaum noch zu
praktizieren und das wunderbare Introibo ad altare Dei ganz wegzulassen?
Oder sogar Gottesdienste auf Alemannisch oder Esperanto zu praktizieren?
Es ist leider zu einer Karikatur verkommen. Ich frage mich ... wie man ob des Wissens
um eine sakrilegische Messe als Verantwortlicher noch ruhig schlafen kann, und
dann bei so vielen Messen ...

... wogegen die Messe in der Stadt Palo Alto, in der die Universität
Stanford liegt, ein Desaster war. Palo Alto gehört zum Bistum San Jose,
worüber ich Ihnen bereits vor 2 Jahren berichten musste, dass in der
dortigen Bischofskirche der Laienkelch in Weingläsern gereicht wird und
die Kniebänke leider auf dem "Müllhaufen der Geschichte" gelandet sind.
Leider bestätigt sich hier, über den Priester, aber auch den Bischof von
San Jose, ein Dictum von Ignatius von Loyola, der schrieb, dass es
besser sei, eine Gemeinde habe keinen Hirten als einen Wolf als Hirten.
Die Messe auf die ich mich beziehe, war eine Sonnabendmesse die nach
Einkehrtagen für die Schüler der katholischen Schule gehalten wurde.
Einige wenige Punkte die mich besonders bedrück(t)en: Es wurde zum
Offertorium nicht gekniet, beim Friedensgruß gab sich die gesamte
Gemeinde (und Priester) die Hände und stellte sich auch noch mit Namen
(!) vor. Der Priester bettelte über 20 Minuten um Geld, das die Pfarrei
angeblich dringend benötige und zwar anstelle des Credo. Das Offertorium
wurde durch extreme Eigenmächtigkeiten und eigene Redseligkeit des
Priesters unterbrochen. Die Schüler standen alle während des Hochgebetes
am Altar und zwar würdelos. Natürlich gab es auch den Laienkelch wieder.
Alles in allem eine Karrikatur einer Messe, wie sie teuflischer nicht
sein könnte. Ich stellte den Priester danach zur Rede. Da erfuhr ich
zweierlei: Der Priester war länger im Bistum Trier (und hat wohl dort
auch das Gift deutscher "Theologie" aufgenommen), und nahezu alles ist
wohl vom Bischof gewollt. Ich glaube zumindest der Aussage, dass der
Bischof im Amtsblatt meinte, dass nur noch dort gekniet werden solle, wo
es schon immer Brauch sei und nicht ohne Probleme zu ändern sei. Leider
bedrückt mich dieser Casus sehr, denn ich habe den Ausspruch des
Psalms:"Die Sorge um Dein Haus verzehrt mich" immer tiefer
verinnerlicht. Dennoch kann ich nur noch feststellen, dass diese
Gemeinde (und wohl das Bistum) kaum noch katholisch zu nennen ist ... Durch die Gnade Gottes habe ich keine Zweifel am katholischen Glauben, sondern vermag
ihn voll und ganz zu bejahen, aber durch die Teilnahme an solchen
Sakrilegien werde ich dann fast wie paralysiert: Das Beten wird schwerer
und es liegt fast eine Bleilast auf meinem "Eifer" in der Nachfolge Christi  ...

 

 

Ein Gebetbuch für junge Menschen

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Bei dem folgenden Beitrag “Der Protestantismus als Typus einer nachfrageorientierten Religion” handelt es sich um einen Kommentar zu der Diözesanversammlung der Freiburger Erzdiözese Ende April 2013 und zu dem Mannheimer Dialogprozess, der entscheidende Aspekte der gegenwärtigen Kirche offen legt. Verfasser des Beitrags ist ein Diplom-Theologe, der vor einigen Jahrzehnten zur katholischen Kirche heimgefunden hat:

DER PROTESTANTISMUS ALS TYPUS EINER NACHFRAGEORIENTIERTEN RELIGION

 

 

IM FOLGENDEN EIN KOMMENTAR ZUM FESTTAG DES HEILIGEN THOMAS VON AQUIN AM 28. JANUAR:

Vortrag zur Eröffnung des

IX Congresso Tomistico Internazionale „San Tommaso d’Aquino Doctor Humanitatis” im Jahre 1991

von Joseph Schumacher

(veröffentlicht in: Studi Tomistici, t. 40, Città del Vaticano 1991)

Eminenz, Exzellenzen, verehrte Teilnehmer des IX. Internationalen Thomas-Kongresses, liebe Kollegen, liebe Mitbrüder, meine Damen und Herren.

Anlässlich der Eröffnung des Kongresses Thomas von Aquin, der Doctor Humanitatis habe ich die Ehre, stellvertretend für die deutschsprachigen Teilnehmer ein Grußwort zu sprechen und eini- ge grundlegende Gedanken zu der Thematik des Kongresses vorzutragen. Ich danke Ihnen allen, daß Sie bemüht sind, in Forschung und Lehre das Wirken des hl. Thomas von Aquin unserer Zeit zu vermitteln und für die Gegenwart fruchtbar zu machen und sich die Antworten des hl. Thomas von Aquin zu eigen zu machen. Ich danke Ihnen, dass Sie zu diesem Kongress gekommen sind, um hier neue Impulse zu geben und zu empfangen. Die Überzeugung, die uns beseelt und eint, ist die, daß eine Erneuerung der Theologie und des kirchlichen Lebens letzten Endes nur erfolgen kann, wenn der Geist des hl. Thomas im philo-sophischen und theologischen Unterricht wieder mehr bestimmend wird.

Ich möchte in diesem Grußwort die Bedeutung des hl. Thomas unter einem dreifachen Gesichts- punkt hervorheben. Ich möchte erinnern an die Wertschätzung der ratio des Menschen durch Thomas, an sein Konzept vom duplex ordo cognitionis und an seine beispielhafte Persönlichkeit.

1. Thomas geht in seinem Denken von den sichtbaren Dingen, von der konkreten Wirklichkeit aus. Das allein ist sachgemäß. Thomas restituiert die Vernunft als vernehmende Kraft und hat damit einen wichtigen Auftrag für die Gegenwart. Bei ihm ist kein Raum für phantastische Spekulation. Ihn interessiert nicht, was sein könnte oder sollte, sondern was ist. Er nimmt die Dinge hin und leugnet nicht um irgendeines vorgegebenen Standpunkts willen irgendeine Gege- benheit ... Er nimmt das Gegebene hin, und gegeben ist ihm ... zunächst das Sein, und zwar das geschaffene Sein. Durch die Sinne sind uns die Dinge gegeben, und unser Verstand erfasst, dass sie - was immer sie auch sonst noch sein mögen - zunächst Sein sind.

Für Thomas hebt alle Erkenntnis im Bilde an und vollendet sich im Geist. Das Erstgegebene, das primum quoad nos ist für ihn nicht die Idee Gottes, auch nicht eine transzendentale Seinsidee, auch nicht ein von der Welt losgelöstes cogito oder eine von diesem cogito losgelöste Welt; das Erstgegebene sind für ihn die Dinge; das Erstgegebene ist für ihn die konkrete Ordnung des Ge- schaffenen, das uns umgibt und zu dem wir selbst gehören, das In- und Mit-der-Welt-Sein.

Der Doctor Humanitatis hat großes Vertrauen zum Geist des Menschen. Er wird von der Über- zeugung getragen, daß die menschliche Erkenntnisfähigkeit dazu hinreicht, von der sinnlichen Er- fahrung aufsteigend, zu den Wesenheiten, Wirkursachen, Zwecken und Gesetzen vorzudringen, die hinter der Erscheinungswelt liegen. Und damit hält er fest an der Möglichkeit und Wirklichkeit der Metaphysik. Unser Denken ist nach Thomas objektiv. Metaphysische Darlegungen finden wir in allen seinen Werken. Manche seiner Monographien geben Zeugnis von seinem überragenden metaphysischen Können, besonders die tiefe und gedankenreiche Schrift De ente et essentia. Die Denkkraft des Menschen erfasst nach Thomas eine objektive Wirklichkeit. Der menschliche Geist ist in der Lage, das Wesen, das eigentliche Sein der Dinge zu erreichen und zu ergreifen.

Thomas ist bestimmt von einem großen Zutrauen zur Vernunft des Menschen, wie die Scholastik überhaupt. Er ist ganz und gar geprägt von jenem Wort des Berengar von Tours: Wer nicht auf die Vernunft des Menschen zurückgreift, der missachtet seine Würde und vermag nicht sich von Tag zu Tag zum Ebenbild Gottes zu erneuern, denn gemäß der Vernunft ist der Mensch zum Ebenbild Gottes geschaffen. Thomas hat die ratio des Menschen verteidigt; dennoch weiß er, dass uns das Wesen der Dinge in seiner Tiefe unzugänglich bleibt, weil und sofern wir die Ab bildung des göttlichen Urbildes als Abbildung nicht voll zu fassen vermögen. Alle Philosophie, alles menschliche Erkennen ist für ihn daher fragmentarisch. Deshalb kann es nie als abgeschlo- ssen betrachtet werden. In solcher nüchternen Realitätsbezogenheit weist sich das Denken dieses Philosophen und Theologen als die Zeiten überdauernd aus, als ein Denken, das immer modern bleibt, weil es mit jeder Zeit im Gespräch bleibt. Antonin Sertillanges hat die Philosophie des hl. Thomas von daher als einen geöffneten Winkel bezeichnet.

Das Unvollendetsein der Summa Theologiae ist nicht ein Zufall. Nicht der frühe Tod hat Thomas die Feder aus der Hand genommen. Der Fragment-Charakter all unseres Erkennens ist eine Er- kenntnis, die bei Thomas mit den fortschreitenden Lebensjahren immer deutlicher hervortritt. Thomas ist misstrauisch gegenüber jedem Systemdenken. Man kann daher seine Lehre nicht zu einem schulmäßig tradierbaren System von Sätzen machen. Was der Schulthomismus gar nicht registriert, was er aber registrieren sollte, das ist die Tatsache, dass Thomas jedem System ab- hold ist. Er stand allem Seienden in der Haltung der Verehrung gegenüber und gerade im Ver- stummen vor dem Unaussagbaren und vor der Unbegreiflichkeit des Seins zeigt sich seine beson- dere Größe. Nach Thomas können wir nicht nur nicht das Wesen Gottes erfassen, nach ihm sind für uns auch die geschaffenen Dinge uner-gründlich, und zwar deswegen, weil die Dinge, alle Dinge außer Gott, Kreatur sind, das heißt einen göttlichen Entwurf nachbilden, bestimmt sind durch das unbegreifliche Geheimnis der Existenz. Thomas weiß, die Dinge sind zugleich erkenn- bar und unbegreiflich. Deshalb sind ihm alle verdächtig, die mit dem Anspruch auftreten, die Weltformel gefunden zu haben, die auf irgendeinen der “ismen” schwören.

2. Für Thomas erhebt sich über dem Kosmos der metaphysischen Wahrheiten das Reich des Übernatürlichen, das nicht dem natürlichen Denken zugänglich ist, sondern nur durch Offenbarung und Glauben erreicht werden kann. Es handelt sich hier um übernatürliche Wahrheiten, die Gott uns kundgetan und die wir in gläubiger Überzeugung annehmen um der Autorität Gottes willen, nicht weil wir sie verstehen und begreifen. Von daher unterscheidet Thomas zwischen Glauben und Wissen, zwischen übernatürlicher und natürlicher Erkenntnis.

Den Unterschied zwischen Glauben und Wissen stellt er sehr einprägsam dar, wenn er in der Summa contra gentiles erklärt: Der Mensch arbeitet sich dank des natürlichen Lichtes der Ver- nunft an den Kreaturen hinauf zur Erkenntnis Gottes; die göttliche Wahrheit, die über den menschlichen Verstand erhaben ist, senkt sich offenbarungsweise in uns hinein. Thomas hat die beiden Elemente Glauben und Wissen in genialer Weise zu einer Einheit und Ganzheit miteinander verbunden. Der klassische Beleg dafür ist sein Hauptwerk die Summa Theologiae. Klarer und bewusster als die Theologen vor ihm hat er diese Einheit als eine geordnete Einheit gesehen.

Die Zuordnung von Glauben und Wissen bedingt für ihn die Unmöglichkeit einer doppelten Wahrheit. Dieser duplex ordo cognitionis, so betont Thomas, diese doppelte Ordnung der Wahr- heit, hat ihren gemeinsamen Ursprung, ihren gemeinsamen Grund und ihre letzte Bürgschaft in Gott, dem Schöpfer und dem Offenbarer. Es handelt sich hier letztlich um eine Anwendung des Verhältnisses von Natur und Gnade.

Die Konzeption von Wissen und Glauben, wie sie uns bei Thomas begegnet, stellt einen Höhe- punkt denkerischer, systematischer Leistung dar, eine geniale Leistung des Doctor communis. Er hat damit das auf den Begriff gebracht, was für die abendländische Theologie stets ein Grund- element gewesen ist, heute jedoch weithin verdunkelt ist, wenn man hier gern abwertend vom Stockwerkdenken spricht.

Das I. Vaticanum hat den duplex ordo cognitionis als Grundprinzip der katholischen Theologie artikuliert. Das Konzil betont dabei, dass es sich hier um einen immerwährenden Konsens in der katholischen Kirche handelt.

In der Nichtbeachtung des duplex ordo cognitionis dürfte letztlich der Grund für den bedenklichen Zustand der Theologie der Gegenwart liegen. Die klare begriffliche Trennung der beiden Erkennt- nisebenen, deren faktisches Ineinander nicht zu bestreiten ist, ist eine unumgängliche Vorausset- zung für eine Erneuerung der Theologie der Kirche. Es geht hier nicht um eine Trennung. Bei aller prinzipiellen Unterscheidung von Wissen und Glauben, damit von Philosophie und Theologie, hän- gen diese beiden Erkenntnisebenen eng zusammen, so sehr, dass Gilson sagen kann, die Theolo- gie des hl. Thomas sei die Theologie eines Philosophen und seine Philosophie sei die Philosophie eines Theologen. Die innige coniunctio rationis et fidei, die Verknüpfung des Gewussten mit dem Geglaubten, wie sie immer die Überzeugung der Christenheit geprägt hat, bei Thomas aber ihren klassischen Ausdruck gefunden hat, ist das Prinzip, das die Essenz des christlichen Denkens aus- spricht und seine geistige Struktur bestimmt. Sie verbindet eine theologisch begründete Weltlichkeit mit einer weltoffenen Theologie.

3. Wenn wir uns hier Gedanken machen über die Lehre des hl. Thomas vom Menschen, so kön- nen wir nicht absehen von dem Menschen Thomas und von der Weise, wie er sein Menschsein gelebt hat. Er wurde von einem hohen wissenschaftlichen Ethos bestimmt. Sein ganzes Streben ging dahin, selbstlos der Objektivität der Wahrheit zu dienen. Er hatte nicht den Ehrgeiz, seine Lehre zu entfalten, sich selbst ein Denkmal zu setzen, durch das Licht seines Geistes zu glänzen. Er wollte vielmehr der Wahrheit, nur der Wahrheit dienen. Seine nüchterne Sachlichkeit, in der er völlig absieht von seiner eigenen Person, ist geradezu faszi-nierend. Bei seinen Untersuchungen geht er mit einer unendlichen Vorsicht vor, denn er weiß, dass die Übertreibung der Wahrheit sie zu einem Irrtum macht. Er ist bemüht, allen Gegebenheiten der Erfahrung gerecht zu werden, alle wirklichen Gedanken aufzunehmen, sie in ein Gefüge zu bringen. Dabei hat er ... seine Sicht be- reichert durch alles, was andere haben finden können. Schon deshalb kann er einen jeden Gedan- ken würdigen, weil er weiß, dass die Erkenntnis der Wahrheit nie an ein Ende kommt.

Einzigartig ist bei dem Philosophen und Theologen Thomas die innere Einheit von Idee und Le- ben, von Theorie und Praxis, von Wort und Tat. Seine Theologie und damit auch seine Philo- sophie ist Gebet. Thomas war nicht nur Philosoph und Theologe, sondern auch Mystiker. Mit Recht hat Kardinal Bessarion ihn einst (im 15. Jahrhundert) als den Gelehrten der Heiligen und Heiligsten der Gelehrten bezeichnet. Thomas hat, wie sein Biograph Wilhelm von Tocco berich- tet, niemals ein Buch geschrieben, ohne vorher unter einer Flut von Tränen gebetet zu haben. Martin Grabmann bemerkt: Das ganze Geistesleben des heiligen Thomas ist von oben orientiert und bestimmt. Von himmlischen Höhen, denen sein Geistesauge sehnsuchtsvoll und gläubig entge- genblickt, erhofft und erfleht er wahre Weisheit.

In einer Kirche in Neapel ist ein mystisches Erleben des hl. Thomas im Bilde festgehalten, von dem uns Wilhelm von Tocco berichtet: Thomas steht vor dem Kreuz und vernimmt aus dem Munde des Gekreuzigten die Worte: Thomas, du hast gut von mir geschrieben, welchen Lohn verlangst du dafür?. Darauf antwortet Thomas: Keinen anderen Lohn, Herr, als dich.

Der hl. Thomas möge unser Bemühen um seine Lehre und um seinen Geist mit seinem Gebet begleiten!